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Der Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern

Judith Weidemann

Volljährige Kinder sind unterhaltsbedürftig, wenn sie berechtigterweise eine Berufsausbildung absolvieren oder sie, z. B. wegen Krankheit, nicht selbst in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte am 18.01.2012 über einen Fall zu entscheiden, in dem es um Unterhaltsansprüche eines volljährigen behinderten Kindes ging – XII ZR 15/10.

Grundsätzlich hat ein volljähriges Kind, das nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, Anspruch auf Unterhalt gegenüber den Eltern. In dem zu entscheidenden Fall war das Kind nach Eintritt der Volljährigkeit aber bereits eine Zeit lang wirtschaftlich selbstständig, verlor diese Selbstständigkeit später allerdings durch eine eingetretene Behinderung. Das inzwischen über 50-jährige Kind war auf Sozialleistungen angewiesen und der Träger der Sozialhilfe verlangte nun aus übergegangenem Recht die Zahlung von Unterhalt von dem fast 80-jährigen Vater. Der bezog selbst Rente von monatlich rund 1.400,00 EURO.

Der Träger der Sozialhilfe ist in allen Instanzen mit seiner Klage abgewiesen worden. Der BGH führte zur Begründung aus, dass der beklagte Vater nicht leistungsfähig sei.

Zwar betrage der Selbstbehalt eines Elternteils gegenüber dem volljährigen Kind regelmäßig 1.150,00 EURO. Allerdings müsse ein Elternteil, dessen Kind zuvor bereits wirtschaftliche Selbstständigkeit erlangt habe, nicht damit rechnen, dass er erneut unterhaltspflichtig werde. Er dürfe seine Lebensverhältnisse regelmäßig seinem tatsächlichen Einkommensniveau anpassen, müsse also keine Abstriche hinnehmen.

Daher ist es nach Ansicht des BGH gerechtfertigt, den Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Elternteils zu erhöhen, wenn das Kind eine bereits erlangte wirtschaftliche Selbstständigkeit zu einem späteren Zeitpunkt wieder verloren hat. Angemessen kann im Einzelfall eine Erhöhung des Selbstbehalts auf den beim Elternunterhalt in der Düsseldorfer Tabelle festgelegten Betrag von monatlich 1.400,00 EURO sein.

Verfasserin des Artikels ist Rechtsanwältin Judith Weidemann, zugleich Fachanwältin für Familienrecht

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