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Hoheitliche Anordnung eines paritätischen Wechselmodells

Judith Weidemann

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat am 21.11.2018 über einen Fall (13 UF 30/17) entschieden, in dem ein Elternteil die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells gegen den anderen Elternteil verlangte.

Die Beteiligten sind die nicht verheirateten Eltern des im Jahr 2010 geborenen Kindes. Nach der Geburt des Kindes lebten sie zunächst zusammen. Zur Familie gehören auch zwei weitere im Jahr 2002 und 2006 geborene Kinder aus einer vormaligen Beziehung des Antragstellers, die von ihm und der Mutter dieser beiden Kinder im Wechselmodell betreut werden.

Die Beteiligten trennten sich und die Antragsgegnerin zog im Mai 2015 aus der gemeinsamen Wohnung aus.
Seitdem hatte der Antragsteller regelmäßigen Umgang mit dem Kind, zunächst alle zwei Wochen von Mittwoch bis Montag, dann von Montag bis Mittwoch und Freitag bis Montag und danach in der Aufteilung von fünf Tagen beim Antragsteller und neun Tagen bei der Antragsgegnerin.
Dann verlangte der Antragsteller das paritätische Wechselmodell und begründete dies damit, dass dieses Modell zum Wohl des Kindes unbedingt erforderlich und die Bindung des Kindes an die Eltern zu beiden Seiten gleich stark und vertrauensvoll sei. Zudem könne das Kind nur im Wechselmodell seine enge Bindung zu den Halbgeschwistern erhalten.

Die Antragsgegnerin war der Meinung, die Bindung des Kindes an seine Halbgeschwister könne auch in dem bereits durchgeführten Umgang erhalten werden. Gegen das Wechselmodell spreche vor allem die mangelnde Erziehungsfähigkeit und Bindungstoleranz des Antragstellers. Dieser habe einen schweren Loyalitätskonflikt des Kindes ausgelöst, indem er es gegen die Antragsgegnerin aufbringe, ihm den Wunsch nach einem Wechselmodell einrede und Verabredungen mit dem Kind ohne Beteiligung der Antragsgegnerin treffe. Während der Dauer des Verfahrens hätten die Manipulationen des Kindes durch den Antragsteller noch zugenommen.

Das OLG lehnte die Anordnung eines Wechselmodells ab und führte zur Begründung aus, dass die hoheitliche Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils nur in Betracht kommt, wenn sämtliche der folgenden Bedingungen erfüllt sind: (1) hinreichende, ungefähr gleiche Erziehungskompetenzen beider Eltern, (2) sichere Bindungen des Kindes gegenüber beiden Eltern, (3) gleiche Beiträge beider Eltern zur Entwicklungsförderung und zur Kontinuitätssicherung, (4) autonom gebildeter, stetiger Kindeswille, (5) Kooperations- und Kommunikationsfähigkeiten beider Eltern zur Bewältigung des erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarfs, (6) keine Erwartung oder Verschärfung eines Loyalitätskonflikts durch die Konfliktbelastung der Eltern.

Den Beteiligten fehle aber jegliche Gemeinsamkeit. Keiner von beiden habe eine günstige Erinnerung an ein Erlebnis, gemeinsam Eltern gewesen zu sein. Die Kommunikation sei unzureichend, das Sprechen übereinander von Vorwürfen geprägt. Die Kommunikation der Beteiligten erfolge in anklagendem, teils beleidigtem, andernteils beleidigendem Unterton. Das Wechselmodell setze aber eine erhöhte Abstimmungs- und Kooperationsbereitschaft voraus.

Die erhebliche Konfliktbelastung der Elternbeziehung, werde sich nach aller Erfahrung eher früher als später gravierend schädigend auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes auswirken.
Für die hoheitliche Anordnung eines Wechselmodells komme es darauf an, dass die Erfüllung des erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarfs mit ausreichender Sicherheit zu erwarten ist. Ist dies nicht zu erwarten, so komme es auf die Ursache dieses Mangels nicht an. Diese rein ergebnisorientierte Sichtweise finde seine Berechtigung im Bezugspunkt der Beurteilung: Es gehe nicht darum, Erwartungen, Wünsche oder Rechte der Eltern zu regeln, sondern allein entscheidend sei, ob die Regelung oder Nichtregelung dem Wohl des Kindes diene.

Autorin des Beitrags ist Rechtsanwältin Judith Weidemann, zugleich Fachanwältin Judith Weidemann

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